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"Das Wichtigste sind die Freundschaften" - Uli Byszio im Interview

  • Rugby-News Team
  • 23. März
  • 22 Min. Lesezeit

Hallo Uli, du bist jetzt bereits mehrere Jahrzehnte sehr aktiv im Jugend- und Herrenrugby. Woher kommt diese Leidenschaft?


Uli:  Relativ simpel. Ich habe ja selbst Rugby gespielt, seit ich zwölf Jahre alt war, und die Erinnerungen daran sind einfach einzigartig. Auf der anderen Seite hat Rugby auch sehr wesentlich zu meinem geschäftlichen Erfolg beigetragen – ohne den Sport wäre ich wohl nicht da, wo ich heute bin.


Dann habe ich irgendwann mit Rugby insgesamt aufgehört und später drei Kinder bekommen, drei Jungs. Mit den ältesten beiden sind wir nach Südafrika in den Urlaub gefahren – da war der Älteste vielleicht drei oder vier Jahre alt – und dort bin ich am Strand wieder in Kontakt zum Rugby gekommen, als dort ein paar Südafrikaner Beach Rugby gespielt haben. Zuhause bin ich dann kurz darauf beim Joggen an meinem alten Rugbyplatz im SC 1880 vorbeigekommen und habe gesehen, dass es dort nur noch eine Rumpfmannschaft gab. Da habe ich mir gedacht: „Das wäre doch eigentlich schön, wenn meine Kinder das, was ich dort rudimentär erlebt habe, auch richtig gut lernen könnten.“  





SC 1880 war damals in der dritten Liga ohne irgendwelche Jugendarbeit. Daniel Cünzer hatte damals auf sich allein gestellt eine Jugendmannschaft super ausgebildet und diese quasi geschlossen in die Herrenmannschaft geführt. Bevor ich seinerzeit in Frankreich gespielt habe, war der SC 1880 noch in der ersten Bundesliga-Süd, also kein schlechter Verein. Und ich dachte mir: „Warum sollen meine Kinder nicht auch diese guten Erfahrungen machen können – hier in Frankfurt?“ Also habe ich gesagt: „Okay, ich baue das, was da ist, auf bzw. aus“ Und so habe ich das Ganze in Frankfurt quasi meinen Kindern und dem Verein zuliebe und aufgrund meiner Liebe zum Rugby nochmal neu gestartet. Zu Beginn in enger Abstimmung mit den Spielern rund um Daniel Cünzer: Dennis Feidelberg, Ralph Klinghammer, Carsten Dobs, Anton Ewald, um nur einige zu nennen; später kamen dann immer mehr Interessierte dazu: Martin Kaeschel, Tilo Barz, Chris Porter sind da wesentlich zu nennen. Ich begann das Jugendtraining damals mit zwei Spielern: Blaine Byszio und Luis Diehl. Beide waren meiner Erinnerung nach ca. vier Jahre alt. 



In einem früheren Interview hast du ja gesagt, dass einer der größten Nachteile im deutschen Rugby ist, dass wir keine Spiele auf hohem Niveau haben. Wie habt ihr das in Frankfurt gelöst? Das Frankfurt Festival ist ja bekannt – da kommen ja gute internationale Teams aus aller Welt. Was habt ihr noch konkret dafür getan, um gute Spiele für die Jugendmannschaften zu organisieren?  


Uli:  Wir haben viel Geld reingesteckt und mit den Mannschaften schon in jungen Jahren sehr, sehr viele Turniere in England und anderswo gespielt. Das war unser großes Geheimnis. Das hat aber wirklich einen Haufen Geld gekostet.  


Unsere Philosophie war: Jedes Turnier kostet pro Kind Summe X. Jeder zahlt mindestens den Betrag für sein eigenes Kind. Wer mehr leisten kann, der denkt bitte immer daran, dass Rugby ein Mannschaftssport ist – und überweist das Doppelte oder Dreifache. Und Eltern, die es sich nicht leisten konnten, mussten trotzdem mindestens 10 oder 20 Euro zahlen, damit jeder etwas beiträgt.  


Ein Wochenende in London oder Irland war bei uns eigentlich Standard – das haben wir auch von den Familien erwartet, selbst von denen, die es finanziell vielleicht schwerer hatten. Die haben dann in ihrem Rahmen ihren Beitrag geleistet. So haben wir es geschafft, dass die Kinder von klein auf an hohe Standards gewöhnt waren. Der Tipp dafür kam übrigens damals dankenswerterweise von Thomas Kurzer, der mir mit seiner offenen Art damals viele, sehr wertvolle Ratschläge gegeben hat. 


Heute ist es etwas schwieriger mit dem Brexit. Jetzt geht es mehr nach Frankreich, Holland oder Belgien. Aber wir setzen immer noch stark darauf, gegen ausländische Mannschaften zu spielen. Insgesamt sind wir aber entweder etwas schwächer geworden oder die anderen etwas stärker. Das heißt, dass wir mittlerweile auch hierzulande, zum Beispiel beim TSV oder anderen Mannschaften, in manchen Altersklassen harte Gegner haben. Aber es sind halt nicht genug. 


Wir sind leider einer der wenige Vereine, der seit vielen Jahren durchgängig in allen Altersklassen eine komplette Vereinsmannschaft ohne Spielgemeinschaft stellt. Alle anderen Mannschaften sind ja in aller Regel – zumindest hier im Süden – Spielgemeinschaften aus teilweise drei und mehr Mannschaften. Die haben das Problem, dass sie nicht gemeinsam trainieren können und deshalb auch kein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln.  


Meine Prognose ist leider, dass das deutsche Rugby auf kurz oder lang auseinanderfallen wird, weil diese Konzentration auf die Jugend schlicht und einfach fehlt.  

Abgesehen davon, dass ihr versucht habt, die besten Gegner zu bekommen, sowohl außerhalb als auch innerhalb Deutschlands – was waren weitere Punkte, auf die ihr in der Jugendarbeit besonderen Wert gelegt habt?  


Uli:  Warum die Jugendarbeit? Man hätte ja auch einfach Spieler kaufen und nur in die erste Mannschaft investieren können oder nur in die U18 stecken können.  


Ich habe damals mit meinem ehemaligen Nationaltrainer Fritz Raupers gesprochen, als ich das Ganze angefangen habe. Ich habe ihn gefragt: „Fritz, du kennst dich mit dem deutschen Rugby viel besser aus als ich – was würdest du machen?“ Und er hat gesagt: „Uli - Du musst ganz unten anfangen, bei den ganz Kleinen.“ Ich habe versucht ihn zu überzeugen, dass es reichen würde bei der U-16 zu beginnen, um schneller Erfolge in der ersten Mannschaft vorweisen zu können. Aber er ließ sich damals – Gott sei Dank – nicht von mir überzeugen und bestand auf den Beginn bei den ganz Kleinen. 

Und so haben wir es dann gemacht. Bei uns ist es tatsächlich so, dass die wichtigste Mannschaft, die alle Trainer gleichzeitig betreuen müssen, die Minis sind – also die Zwei- bis Vier-, vielleicht maximal Fünfjährigen.  


Da müssen alle Trainer dabei sein, weil das das Alter ist, in dem du die Athleten abgreifst, bevor sie zum Basketball, Handball oder Fußball gehen. Wenn du in der Altersklasse ansetzt und bei den Minis 10 bis 15 Trainer auf dem Platz rumrennen, dann wissen die Eltern das zu schätzen. Die reden untereinander: „Macht dein Sohn schon Sport?“ – „Nee, noch nicht. Zu jung.“ – „Dann bring ihn doch zu 1880! Die fangen viel früher an als die Fußballvereine, die starten ja erst ab fünf.“  


Dann bringen sie ihre Kinder zu uns. Das Training ist ein bisschen wie ein großer, sportlicher Kindergeburtstag. Und wenn der Kleine dann sechs Jahre alt ist, sagt der Vater: „So, jetzt kannst du zum Fußball gehen.“ Und der Junge sagt: „Nee, Papa, ich bin Rugbyspieler. Ich geh nicht zum Fußball.“  

Und so kriegst du die echten Athleten. Wir haben schon viele abgegriffen, die später wirklich eine gute Karriere gemacht haben. Natürlich gibt es auch Quereinsteiger, aber meistens ist es so: Wenn ein Kind wirklich sportlich und athletisch ist, landet es sonst halt beim Fußball, Basketball oder einer anderen bekannten und renommierten Sportart.  


Und wie besetzt ihr die Trainerposten? Einige Trainer sind ja auch Spieler bei euch, aber ihr habt auch feste Trainer.  


Uli:  Ganz am Anfang hatten wir noch mit Daniel Cünzer und Co. ganz gutes Rugby-Know-how im Verein. Aber als der Verein dann größer wurde, reichte das nicht mehr, insbesondere da diese Jungs dann sehr bald alle im Studium und Beruf ziemlich eingespannt waren. 


Aber als es dann ernst wurde, als wir angefangen haben, wirklich zu gewinnen und uns an die Spitze heranzuarbeiten, mussten wir Trainer von außerhalb, meist Neuseeland holen. Viele davon haben selbst gespielt, aber das war nur ein schöner Nebeneffekt. Heute sieht das anders aus. Nach 22 Jahren Kleinarbeit haben wir jetzt viele eigene Jugendliche, die älter geworden sind, Rugby-Know-how haben und selbst gerne Training geben.  


Wenn ein Verein kein Rugby-Know-how hat, muss er es von außen reinholen. Aber wenn man es einmal aufgebaut hat, kann man sich aus dem eigenen Nachwuchs bedienen. Es dauert halt 20 Jahre, bis man eigene, erfahrene und motivierte gute Trainer ausgebildet hat.  


Hattet ihr beim Aufbau des Rugby-Know-how Hilfe vom Verband?  


Uli:  Nein, da kam leider so gar nichts.  


Das Wichtigste beim Aufbau einer Rugby-Jugend ist übrigens nicht das Training oder das Rugby-spezifische Wissen. Das Wichtigste sind die Freundschaften.  


Ich sage immer zu den Trainern und Eltern: Wenn ihr es schafft, dass bei einem Kindergeburtstag von einem Elfjährigen 90 % der eingeladenen Kinder vom Rugby kommen, dann habt ihr gewonnen. Dann wisst ihr, dass euer Kind bis durch die Pubertät, bis zum Abitur dabeibleiben wird. Dann wird es moderat mit Alkohol umgehen und Nein zu Drogen und Gewalt auf der Straße sagen können.

 

Wenn es nicht so ist, wenn beim zwölften Geburtstag 90 % der Gäste aus der Schule oder anderen Kreisen kommen und nur ein oder zwei Rugby-Kumpels dabei sind, dann hören diese Kinder in der Pubertät relativ sicher mit Rugby auf. Es sind die Rugbyfreundschaften, die die Kinder beim Rugby hält.




Also setzt ihr viel auf Team-Building-Maßnahmen?


Uli:  Genau. Viele Eltern fragen uns, bevor sie sich für das Rugby entscheiden: „Gegen wen spielt ihr denn so?“ Dann sagen wir: „Wir fahren am Wochenende oft nach Frankreich oder England.“  


Und dann kommt: „Oh Gott, das ist aber viel Fahrerei! Wie kommen die Kinder da hin? Das ist doch zu viel Fahrerei für die Kleinen!“  


Nein, ist es nicht! Denn was ist schöner, als mit seinen Kumpels am Freitagabend loszufahren und am Sonntagabend völlig platt zurückzukommen? Und das ganze Wochenende gemeinsam zu verbringen, gemeinsam zu kämpfen und hoffentlich zu siegen! Da geht in der Jugend einfach nichts drüber.  


Und es sind oft Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Zum Beispiel:  

Handys sind komplett verboten – auch bei den älteren Jahrgängen. Wir haben das früher bei manchen Altersgruppen noch erlaubt, aber irgendwann haben die Jungs selbst gesagt: „Wisst ihr was, Jungs? Wir geben jetzt alle unsere Handys den Trainern. Sonst kommt hier keine Stimmung auf.“  


Es sind viele Kleinigkeiten, die wir über die Jahre entwickelt haben. Und es funktioniert einfach. Die Jungs müssen miteinander reden, Spaß haben nicht nur einzeln in ihren Handys versinken.  


Wie ist eure Verbindung zu den Schulen? Habt ihr Trainer, die auch vormittags dort arbeiten?  


Uli:  Trainer, die hauptamtlich eingestellt sind, ja. Aber ich glaube, dass ab einem gewissen Punkt die Arbeit in den Schulen zwar noch wichtig ist, aber nicht mehr so entscheidend.  


Am Anfang war das echt ein Problem. Wenn du damals zu jemandem gesagt hast: „Schick dein Kind doch mal zum Rugby“, dann kam direkt: „Niemals, dann kriegt er nur die Zähne eingeschlagen!“ So war das früher, weil in Frankfurt niemand Rugby kannte.  


Heute ist das anders. Heute sitzen wir irgendwo beim Essen, und wenn es ums Rugby geht: „Ja, Rugby ist der Hammer. Musst du deine Kinder unbedingt machen! Ich kenne so viele, die ihre Jungs dahaben, das ist richtig gut.“  


Hans Gonder, Inhaber von Gonder Facility Services und Logistics, ein Unternehmen mit vielen tausend Mitarbeitern – berichtet mir regelmäßig, wie er auf das Rugby angesprochen wird. Das liegt daran, dass nachmittags plötzlich überall diese vielen kleinen Jungs mit den schwarz-rot geringelten Trikots und dem Gonder Aufdruck durch die Stadt auf dem Weg ins Training oder zurück sind.  


Du hast ja gesagt, dass ihr mit anderen Sportarten um Nachwuchs konkurriert. Was überzeugt die Kids gerade von unserem Sport, wenn ihr in die Schulen geht oder versucht, sie ins Training zu holen? Das erste Mal ins Training zu kommen, ist ja der schwierigste Schritt.  


Uli:  Das Wichtigste ist, dass du coole Leute hinschickst und dass du die Kinder richtig ansprichst.  

Wenn wir eine AG in einer Schule machen, dann wollen wir natürlich erstmal möglichst viele Kinder dabeihaben. Da sagst du also: „Kommt auf jeden Fall zum Training, ihr habt das richtig gut gemacht!“ und lobst sie ordentlich.  


Aber dann musst du auch gezielt die Athleten ansprechen. Die musst du zur Seite nehmen. Wenn du dich auskennst, erkennst du die ja innerhalb von zehn Minuten. Du schaust rein und weißt sofort: „Alles klar, aus dem mache ich einen Superstar.“ Und wenn er dann zum Training kommt, muss er sofort angesprochen werden. Der Trainer muss sich direkt und intensiv um ihn kümmern. Und er muss Feedback, positives Feedback bekommen – das bekommt er anderswo, in der Schule oder zu Hause, oftmals nicht in dem Maße.  


Natürlich ist es schwer, Fußballspieler abzuwerben. Aber wir hatten mal einen Jungen, der war in der deutschen Junioren-Nationalmannschaft, Torwart im Förderprogramm. Der kam ein einziges Mal zu uns ins Rugby-Training – und ist dann nie wieder zum Fußball gegangen. Sein Vater war außer sich, hat uns angerufen und gesagt, wir würden die Karriere seines Sohnes zerstören. Der Junge selbst hat gesagt: „Nee, nee, ich melde mich da nicht mehr. Rugby ist einfach mein Ding. Das fühlt sich für mich richtig an.“  

Du brauchst natürlich ein bisschen Glück, dass es dem Jungen Spaß macht. Aber wenn einer für Rugby gemacht ist, dann reicht ein einziges Training – und du hast ihn. Aber nur, wenn du ihm deine Aufmerksamkeit auf Augenhöhe geschenkt hast und ihn mit dem anderen Spieler in Kontakt gebracht hast.  

Klingt ganz so, als ob ihr euch auch gut um die Eltern kümmert?  


Uli: Wenn du einen neuen Athleten identifiziert hast, ganz sicher. Den darf man nicht verlieren und dann gilt es auch, die Eltern zu überzeugen! Wir rufen die Eltern dann zu Hause an oder sprechen mit ihnen, wenn sie beim Training zuschauen.  


„Wissen Sie, ihr Sohn hat das Zeug für Olympia!“  

„Er kann durch Rugby an eine gute Uni kommen!“  

„Er wird leichter durch das Leben gehen, wenn er das durchzieht!“  


Du darfst einfach nicht lockerlassen. Fragen Sie Eva Segner, Mutter von dem Blues Spieler Anton Segner. Sie musste sich das alles ganz am Anfang von mir anhören. Ihr war überhaupt nicht bewusst, was sie und ihr Mann Tim da für einen Rugby-Rohdiamanten hatten. 


Viele unserer Spieler haben wir direkt von der Straße geholt. Oder aus Kindergärten. Oder aus Klamottenläden in der Stadt oder der U-Bahn-Haltestelle.  


Ich habe schon so oft irgendwo einen Jugendlichen gesehen, der vielleicht gerade irgendwo Klamotten anprobiert hat oder so – dann gehe ich hin und frage die Eltern:  

„Wie alt ist Ihr Sohn?“  

„12.“  

„Ehrlich! Der sieht aus wie 16! Der ist wirklich 12? Dann müssen Sie ihn sofort zu uns bringen!“  


Und wenn du diese Chancen nicht nutzt, dann wirst du ewig warten, dass die Leute von alleine an die Tür klopfen – das funktioniert nicht. 


Edward Jumatate. Er spielt jetzt für Stade Français bei der U-18 in der ersten Mannschaft. Da habe ich monatelang auf die ängstliche und um ihren Jungen besorgte Mutter eingeredet, bis er zum Training durfte. Den hatte ich seinerzeit beim Fußball im Hof vom Kindergarten gesehen und mir fiel damals gleich seine Beschleunigung und Geschwindigkeit und Wendigkeit auf. Eigenschaften, die ihn auch heute noch als Spieler bei Stade Français auszeichnen. Damals war er ungefähr vier.  



Du hast gesagt, es ist wichtig, dass man coole Leute als Trainer hinschickt und dass die Kinder vor allem Spaß am Training haben – gerade in jungen Jahren. Könntest du bitte noch einmal darauf eingehen? 


Uli:  Leute mit Rugby-Know-how zu finden, ist für uns relativ simpel. Geh nach Südafrika, da wollen alle nach Deutschland kommen. Du kriegst tausende von Leuten, die richtig gutes Rugby-Know-how haben.  


Aber nur Rugby-Know-how reicht nicht. Damit vertreibst du die Kinder nur. Der Trainer muss mit den Kindern, insbesondere den Kleinen „klicken“. Die Kinder müssen sagen:  

„Ich will zu meinem Trainer, ich freu mich aufs Training! Für den will ich spielen, hinter dem stehe ich!“  


Eltern sagen mir manchmal: „Was soll ich machen, mein Sohn hat keinen Bock mehr aufs Training?“  

Da sag ich: „Kein Thema, der muss nicht kommen. Zwing ihn nur zu einer Sache: Er soll seinen Trainer anrufen und ihm sagen: ‚Ich habe keinen Bock auf dein Training, es ist mir zu langweilig, ich bleib lieber zu Hause und spiele an meinem Handy.‘“  


Und wenn das Kind sich das nicht traut, weil es seinen Trainer nicht enttäuschen will – dann hast du den richtigen Trainer gefunden. Wenn das Kind aber einfach anruft und sagt: „Mir ganz egal, ich ruf an“, dann hast du den falschen Trainer.

Lieber einen, der mit den Kindern klickt, als einen mit perfektem Rugby-Fachwissen. In den unteren Jahrgängen – der ganze technische Kram, den die da lernen müssen, das bringst du denen schnell bei. Bisschen Kicken, bisschen Passen – das dauert drei Wochen. Aber was du nicht in drei Wochen hinkriegst, ist: Teamgeist, Aggressivität, Einstellung und Zusammenhalt.  


Der Trainer muss ein guter Typ sein. Einer, der lustig ist, aber auch mal streng. Einer, der merkt, wenn ein Kind Sorgen hat. Wenn du so jemanden hast, ist das ein Sechser im Lotto.  


Wir wollen auf das Verhältnis von Spaß und Leistung eingehen. Ihr habt ja auch mit etlichen deutschen Meisterschaften in der Jugend gewonnen. Das passiert ja nicht nur durch Spaß? 


Uli:  Die haben ja Spaß, wenn sie gewinnen!  


Und sie haben auch Spaß, wenn sie harte Ansagen bekommen. Es ist ja nicht so, dass du da hinkommst und die ganze Zeit nur lachst.  Die haben Spaß, wenn sie nach dem Training auf der Zunge nach Hause kriechen und sagen: „Boah, ich bin so platt!“  


Du kannst volle Leistung fordern, ein knallhartes Training machen und trotzdem eine gute Atmosphäre haben. Natürlich musst du streng sein, wenn einer keinen Bock hat. Aber harte Leistung heißt nicht, dass alles spaßbefreit sein muss. Es geht um die richtige Ansprache auf Augenhöhe im Training. Ich sage sogar: je härter das Training, desto mehr Spaß haben die Jungs. 


Wie siehst du die Entwicklung des Jugendrugbys in Deutschland? Das klang vorhin nicht besonders optimistisch.  


Uli: Ganz ehrlich? Jugendrugby in Deutschland geht den Bach runter. Und warum? Das ist relativ simpel. Ich habe damals beim Bundesliga-Tag, zusammen mit Jürgen Schlicksupp vom TSV – sehr netter, intelligenter Mensch - ein Bonus-Malus-System entwickelt. Das einzige System, welches das deutsche Rugby retten kann 


Was ist das Problem im deutschen Rugby? Das Spielniveau ist schlecht. Deutsche Meisterschaften kann man einfach „kaufen“. Bei uns gibt es Geld für Menschen mit Rugby-Know-how, die als Trainer arbeiten. Die bekommen kein Geld fürs Spielen. Theoretisch können sie einfach im Bett bleiben. Aber die meisten wollen halt Rugby spielen. Das ist gut, denn so sind sie auch ein besseres Vorbild für die Kids, die sie trainieren. 


Aber es kann doch nicht sein, dass ein Verein wie 1880 Frankfurt jedes Jahr die Meisterschaft so ‚kauft‘. Wenn das deutsche Rugby überleben soll, wenn wir irgendwann mal echte Erfolge mit der 7er oder 15er-Nationalmannschaft feiern wollen – und nicht nur zweitklassige Turniere gewinnen wollen, dann müssen wir nationale Spieler in größerer Breite ausbilden. Und das geht nur mit einem Bonus-Malus-System. Ich rede von einem System wie zum Beispiel: im eigenen Verein ausgebildete Spieler erhalten -3 Punkte, im Ausland ausgebildete Spieler bekommen +3 Punkte und wir erlauben eine Mannschaft mit zum Beispiel maximal 20 Punkten auf dem Platz. Dann kriegen auch die Jungs Spielzeit, die bei uns momentan gar nicht reinkommen, weil wir halt Deutscher Meister werden wollen und es zu viele von den ausländischen Trainern gibt, die besser spielen. Und dann müssen alle Vereine endlich anfangen, eigene Jugend auszubilden. Denn wenn sie es nicht tun, dann verlieren sie jedes Spiel – weil sie von Anfang an die Punkteregelung nicht eingehalten haben.  


Das wird ja auch jetzt so ähnlich wieder diskutiert. In der Vergangenheit war es so, dass einige Bundesliga-Mannschaften, die genug Geld hatten – wie zum Beispiel Pforzheim – aber kaum nennenswerte eigene Jugendarbeit, sich ihre Meisterschaften damals einfach gekauft haben.  


Uli: Klar, können sie das kaufen. Ich investiere ja auch jedes Jahr Geld für die deutsche Meisterschaft. Der Unterschied ist nur: Ich investiere gleichzeitig deutlich, deutlich mehr in die Jugend. Wenn du gute Trainer holst, wenn du in deine eigene Jugend investierst und so viel Nachwuchs generierst, dass du oben gewinnst, dann ist das legitim. Dann ist das nicht nur gut für den Verein, sondern auch gut für das deutsche Rugby, gut für die Nationalmannschaften und gut für den Spielbetrieb insgesamt. Aber es ist schade zu sehen, gegen wen wir oft in den deutschen Meisterschaften spielen. Das sind oft Spielgemeinschaften aus vier oder fünf Vereinen. Wo sollen denn da später Herrenmannschaften herkommen? Wenn das deutsche Rugby nur noch eine Expat-Liga ist, dann gewinnt immer der Verein, der das meiste Geld hat. Und irgendwann fehlt es an Leuten, die überhaupt noch Interesse daran haben. Denn wer hält so einen Verein nachhaltig am Leben? Ehemalige deutsche (nicht nach Pass deutsch, sondern eben aus der eigenen Jugend. Also gerne auch Ausländer) Rugbyspieler. 


Das jetzige System sieht wieder eine Lücke für Nationalmannschaftsberechtigte Spieler vor. Ein Grundlegender Fehler, denn dann geht für die reichen Vereine einfach wieder die Suche nach ausländischen Spielern mit deutschem Pass los. Davon gibt es in Südafrika und Neuseeland genug.  




Wie stehst du dazu, Vereinen Punkte abzuziehen, wenn sie keine Jugendmannschaften haben?  


Uli: Das ist totaler Quatsch. Das Bonus-Malus-System, das ich eben erklärt habe, würde das Problem besser lösen. Da kann dann nicht einfach einer kommen und sagen: „Ich kauf mir jetzt die deutsche Meisterschaft.“ Weil er die Mannschaft gar nicht zusammenbekommt. In dem System zählt, woher die Spieler kommen: Ein Spieler, der die Mehrheit seiner Jugend in deinem Verein gespielt hat, bekommt zum Beispiel -3 Punkte. Ein Spieler, den du von einem anderen deutschen Verein abgeworben hast, beispielweise nur -2 Punkte. Ganz wichtig insbesondere für die Städte mit mehreren Vereinen, so in Heidelberg, Berlin und Hannover. 


Das klingt ja so ein bisschen nach dem System, das auch in Frankreich angewendet wird. Warum wurde das denn nicht umgesetzt?  


Uli: Ich glaube, das Problem war: Welche Vereine hätten dann überhaupt noch spielen können? Da wurde rumgefragt: „Mit welcher Punktzahl kommt ihr zurecht?“ Und dann haben die Vereine geklemmt. Keiner hat es wirklich durchgezogen. Komischerweise wurde das auch vom Deutschen Rugby-Verband ausgeredet. Ich weiß nicht, ob das gegen irgendwelche Prinzipien verstoßen hat oder ob sie einfach kein Interesse hatten, aber… Alle Bundesliga-Vereine saßen da. Alle haben gesagt: „Super System!“ Und keiner hat es umgesetzt. Und wenn das nicht umgesetzt wird, dann ist das deutsche Rugby in acht bis zehn Jahren tot. Wenn du keine Jugend unten hast, dann gibt es keine Väter, keine Mütter, die sich engagieren. Dann gibt es keinen Nachwuchs, der später sagt: „Ach komm, ich bin jetzt in meinem Verein groß geworden, ich mache da jetzt für die Nachkommenden Generationen weiter.“ Dann hast du vielleicht noch ein paar Expats, die sich ein Rugby-Team suchen wollen. Aber schaut euch mal die deutschen Jugendmeisterschaften in den oberen Altersklassen heute an: Früher hatten wir richtige Klubmannschaften. Heute? Nur noch Spielgemeinschaften. Und aus Spielgemeinschaften entstehen keine nachhaltigen Teams. Willst du heute eine U18-Deutsche-Meisterschaft auf die Beine stellen? Da bekommst du vielleicht zwei oder drei Teams zusammen.  


Es ist allen klar, dass ihr vieles richtig gemacht habt im Jugendbereich, aber gibt es Punkte, wo du sagst: „Da sind wir noch nicht gut genug, da müssen wir uns verbessern“?  


Uli: Ja, da gibt es eine ganz große Schwachstelle: Die Brücke zwischen U18 und Herren – die ist bei uns eine Katastrophe. Das liegt aber auch an Frankfurt als Stadt an sich. Wir sind hier sehr international aufgestellt. Die Kinder wachsen international geprägt auf und haben alle den Drang, zum Studieren ins Ausland zu gehen – was die meisten auch tun. Die meisten Jungs und Mädels bei uns machen Abi und studieren danach. Und dann hauen sie ab – nach England, in die USA, nach Frankreich. Dadurch fehlt uns in der U18 und bei den Herren oft einfach die Spielerbasis. Da müssten wir mehr machen. Zum Beispiel könnten wir den Jungs Praktika oder Jobs anbieten, damit sie während des Studiums hierbleiben. Haben wir bisher komplett verpennt. Warum? Weil es uns nicht aufgefallen ist – wir sind ja trotzdem Deutscher Meister geworden. Aber wenn wir dieses Bonus-Malus-System hätten, dann würde es uns zwingen, hier nachzulegen. Denn dann würden wir merken: „Mist, wir bilden zwar viele Jugendliche aus, aber wir müssen sie auch hierhalten – sonst bringt das alles nichts!“  


Und das zweite Problem: Die Finanzen. Unsere finanzielle Lage hängt sehr stark an mir. Ich schleppe die meisten Sponsoren an, und meine Kinder sind aus dem deutschen Rugby-Alter raus. Zwei spielen jetzt in den USA, einer ist noch hier. Aber wenn die mal aufhören – was passiert dann? Vielleicht verliere ich dann selbst das Interesse. Und dann muss das Ganze auf andere Beine gestellt werden. Der Vorteil: Heute kostet das alles schon weniger, weil wir inzwischen eigene Trainer haben und nicht mehr so viele von außen holen müssen. Und mit dem Bonus-Malus-System würde sich das weiter verstärken: Eigene Trainer? Haben wir. Eigene Spieler? Kriegen wir rein. Weniger externe Spieler? Spart einen Haufen Geld.  


Und ein weiterer großer Fehler: wir haben kaum bis keine Mädchen bei uns. Ich würde gerne in jeder Altersklasse komplette Mädchenmannschaften haben. Das wäre uns auch sehr einfach möglich. Aber wir haben, was Platz angeht, leider null Kapazitäten. Und mitten in Frankfurt können wir auch nirgendwohin ausweichen. 


Uli, wahrscheinlich sagen sich viele, die das Interview jetzt lesen: „Der Uli kann sich das halt leisten. Der hat das Geld, um sich so eine Jugendarbeit für seinen Verein zu leisten”, und sie hätten recht, aber was würdest du anderen Vereinen empfehlen, die finanziell nicht die Mittel haben? Was ist der eine wichtigste Punkt, den jeder Verein im Jugendrugby als oberste Priorität setzen sollte?  


Uli: Das ist ganz einfach: Man muss bei den Kleinsten anfangen. Man muss langfristig denken. Man muss die Eltern mit einbeziehen. Die Eltern müssen verstehen: „Wir brauchen viele Kinder! Nicht acht oder zehn Kinder in der U8 – wir brauchen 40!“ Und deswegen muss jeder im Verein ständig Werbung machen. Im Freundeskreis weitersagen. Im Geschäft Leute ansprechen, auf der Straße, an der Bushaltestelle. Wenn du irgendwo jemanden siehst, der Rugby spielen könnte – sprich ihn an! Denn wenn du das nicht tust, dann hat dein Kind spätestens in der U14 oder U16 keine Mannschaftskameraden mehr. Und dann geht’s zurück zum Fußball – und der zerstört ihm die Liebe und die Freundschaften, die er im Rugby hätte haben können. Ich sehe ja heute, wie viele junge Männer mich später ansprechen und sagen: „Rugby war die geilste Zeit meines Lebens.“ Viele erinnern sich an bestimmte Spiele, zum Beispiel das U18-Finale in Berlin, das wir als jüngerer Jahrgang verloren haben – und dann im Jahr darauf gewonnen. Diese Erlebnisse prägen die Jungs fürs Leben. Wenn man das den Eltern klarmacht, dann kommen sie nicht nur zum Training, sondern sie werden selbst enthusiastisch: Sie machen Kuchenstände. Sie reden überall über Rugby. Sie helfen mit, neue Kinder für den Sport zu gewinnen. Und wenn du jedes Jahr 30 bis 40 neue Minispieler reinholst – dann funktioniert’s!  


Einer der absoluten Aushängeschilder der Frankfurter Jugendarbeit spielt ja im Moment in Neuseeland bei den Blues. Über Anton wurde ja schon viel geschrieben, und ich glaube, jedem ist klar, welche Qualitäten er als Spieler und als Typ hat. Hat das euch nochmal einen Schub gegeben? Hat es den Verein nach vorne gebracht?  


Uli: Anton hat sich am Anfang in Neuseeland nicht so oft und nicht so deutlich zu seinen deutschen Wurzeln und zum 1880 bekannt. Ich glaube er wäre am Anfang lieber Neuseeländer gewesen, damit er schneller akzeptiert wird. Jetzt merkt er meiner Meinung nach, dass sein „Deutsch-Sein“ vielleicht sogar ein gutes Markenzeichen ist: „Anton – the German Tackle Machine!“.  


Vielleicht bringt das ein bisschen was, vielleicht hilft es dem Image – aber es ist nicht so, dass jetzt plötzlich alle Kinder zu uns rennen und sagen: „Wir wollen wie Anton Segner werden!“ Vielleicht hätte man da mehr rausholen können, aber unser eigentliches Problem in der Jugend ist mittlerweile ein anderes: Wir sind inzwischen international – oder zumindest europaweit – dafür bekannt, dass wir gute Spieler ausbilden. Und das bedeutet: Wir verlieren viele unserer U18-Spieler ins Ausland; nach Frankreich, Stade Français zum Beispiel – die haben längst erkannt, dass es bei uns Talente gibt, die sie zu sich rüber holen können. Die gehen dann auf eine deutsche Schule in Frankreich, und weil es in Frankreich eben auch dieses Bonus-Malus-System gibt; so werden sie dort nach einer gewissen Zeit als eigen ausgebildete französische Spieler gezählt. Drei oder vier haben wir nach Irland verloren. Nach Südafrika sind auch ein paar gegangen. Die fehlen uns dann natürlich in der U18.  


Aber ich sage immer: „Wenn Jungs was in der Birne haben – bloß keine Profi-Rugby-Karriere!“ Wir haben damals im Klub zusammengesessen und ich habe den Jungs gesagt: „Macht keinen Unsinn! Rugby ist die schönste Nebensache der Welt – aber eben eine Nebensache.“ Ich habe ja selbst in Frankreich als Profi gespielt und weiß, dass Rugby auf einmal einen ganz anderen Charakter bekommt, wenn du Profi bist. Der Druck wird größer, der Spaß geht ein Stück weit verloren, du hast mehr Angst, dich zu verletzen, und du hast mehr Angst, Fehler zu machen.  


Bei Anton Segner war das was anderes. Erstens: Er ist richtig intelligent. Zweitens: Seine Eltern könnten ihn im Notfall unterstützen. Er ist so intelligent und fokussiert, dass er beruflich immer seinen Weg gehen wird. Uns sei es im Unternehmen der Eltern. Das heißt, wenn bei ihm irgendwas schiefläuft, kann der sofort in eine Karriere abseits des Rugbys einsteigen. Aber wenn du keine Kohle im Rücken hast und kein intellektueller Überflieger bist, wenn du auf Rugby setzt und deine Karriere mit 24 oder 25 abrupt endet – dann sieht’s düster aus.  


Ich habe einen guten Freund, Benjamin Fall, der in der ersten Liga in Frankreich und auch in der französischen Nationalmannschaft gespielt hat. Heute ist er Personal-Trainer. Er konnte recht gut verdienen und ein Stück weit finanzielle Sicherheit schaffen. Aber er hat auch gespielt, bis er 33 war. Was, wenn er sich vorher verletzt hätte? Und überhaupt: Herren-Rugby auf diesem höchsten Niveau ist völliger Unsinn heutzutage. Es ist einfach zu schnell, zu hart, zu verletzungstechnisch geworden. Es ist eine waschechte Kampfsportart ohne Gewichtsbeschränkung.  


Und genau deshalb sage ich immer: Unser Motto ist ja „We turn young boys into fine young men!“ Wir wollen die Jungs durch die Pubertät begleiten und sie dahin bringen, wo sie eine Zukunft haben. Ideal ist ein Uni-Team in den USA oder England oder ein Verein in einer Liga, wo sie parallel eine Karriere aufbauen. Irgendwas, das langfristig Sicherheit gibt.  


Mir hat es damals unglaublich Spaß gemacht, in Frankreich zu spielen – aber Oskar, du weißt es selbst: Wenn du dich morgen so verletzt, dass du nie wieder spielen kannst – dann wird’s erstmal richtig schwierig, nach dem Rugby mit einer unterbrochenen Karriere Geld zu verdienen.  



Ja, ich habe glücklicherweise auch Abi gemacht, meine Eltern haben mich da unterstützt. 

Dann würde ich jetzt zum Herrenrugby kommen. Du hast es kurz angesprochen: Frankfurt hat die letzten drei deutschen Meisterschaften gewonnen und das nicht gerade knapp. Du hast bereits gesagt, dass es dir nicht so sehr um Profis und Herrenspieler geht. Was ist die Motivation, trotzdem weiterzumachen? Was kann Frankfurt noch erreichen? Was treibt dich im Herrenrugby an?  


Uli: Ich glaube, das Einzige, was mich antreibt, ist, dass ich die Kinder nicht enttäuschen will. Die stehen dann beim Finale da, kommen in Scharen samt Familie – idealerweise bei uns, aber auch auswärts –, sehen ihre Trainer spielen, sehen die großen Brüder spielen, die ältesten Söhne, die vielleicht noch kleinere Geschwister in der U8 oder U10 haben. Es ist eine Community, und da habe ich irgendwie das Gefühl, denen schulde ich was. Jedes Jahr frage ich mich wieder, warum ich da so viel Kohle reinstecke. Und dann sehe ich all die glücklichen Gesichter beim Frankfurter Jugendrugby-Festival, bei den deutschen Meisterschaften der Jugend oder beim Meisterschaftsfinale der Herren – und dann weiß ich wieder, wofür das ganze Geld rausgeht. Es ist einfach die Liebe zum Verein, zu den Menschen, die da drin sind, und besonders zu den Kindern.  


Ich glaube, es ist so ein bisschen wie bei Fritz Feyerherm früher. Der hat mich schon betreut, als ich in der DRJ gespielt habe, dann wieder, als meine Kinder in der DRJ gespielt haben, stand er am Platz. Der hat das über Jahrzehnte gemacht. Der musste ja auch einen an der Waffel haben, dass er das so lange durchgezogen hat. Wahrscheinlich aus der gleichen Motivation heraus. Ich habe ja tausend Hobbies: Motocross, Kitesurfen, Tauchen, Mountainbike, Gravelbike, Rennrad, Skifahren – ich bin ständig unterwegs. Ich habe gar nicht mehr so eine enge Verbindung zum Verein, weil ich die ganzen Kleinen aus den jüngeren Jahrgängen gar nicht mehr kenne. Früher habe ich die alle selbst trainiert. Aber dann komme ich zur U8-Weihnachtsfeier, sehe, wie die Eltern dastehen, im Winter grillen, obwohl es eisig kalt ist, und die Kinder rennen herum und haben Spaß. Dann hält der Trainer eine Ansprache, wir verleihen Pokale für den besten Nachwuchsspieler, den besten Newcomer, den besten Tackler, den besten Angreifer, den besten Teamplayer – und dann denke ich mir: Scheiße, das war auch schon geil, als ich das selbst hatte. Und dann hilfst du halt mit, dass die Eltern und Kinder das jetzt auch erleben können.  


Das treibt mich an. Ich finde es nur schade, dass wir es in Deutschland nicht schwerer haben, dass wir nicht mehr echte Gegner haben. Berlin zum Beispiel – wie heißt euer Trainer da, dieser ältere?  


Uwe Maaser, aber soweit ich es von ihm weiß, ist er noch keine 40.


Uli: Genau, Uwe Maser. Gegen den zu spielen war immer schwer, wenn ich den sah, ist mir der Arsch auf Grundeis gegangen, weil seine Jungs einfach richtig gut waren. Oder früher mit den Herren, als wir gegen Berlin gespielt haben, das waren noch echte Schlachten. Aber das gibt es heute nicht mehr.

 

Wäre es für euch eine Option, ein Team für einen Supercup zu melden, vielleicht für Frankfurt oder sogar für Deutschland?  


Uli: Ja, habe ich mir auch schon überlegt. Aber das würde kostenmäßig komplett explodieren. Wenn du im Supercup spielen willst, dann hast du hohe Reisekosten, weil die Spiele nicht in Deutschland stattfinden. Klar, du hast ein paar gute Heimspiele, aber du kannst das mit eigenen Spielern gar nicht abdecken. Das heißt, du müsstest Spieler von außen holen. Und genau da liegt das Problem. Manche von denen wachsen mir echt ans Herz. Wenn einer fünf, sechs, sieben, zehn Jahre hierbleibt, dann ist das der Hammer. Aber wenn sie nur kommen, zwei, drei Jahre hier spielen und dann wieder gehen – dann musst du dir irgendwann die Frage stellen: Wenn du das Geld wegnimmst, wer bleibt dann noch?  

Die, die dann noch hier sind, auf die kannst du bauen. Die haben vielleicht eine Freundin in Deutschland, haben einen Job gefunden, sind wirklich hier angekommen. Das ist mir egal, welche Nationalität die haben, solange sie wirklich Teil des Vereins werden. Aber die, die nur kommen, weil es hier gerade passt und denen es egal ist, welches Trikot sie tragen – für die mache ich das nicht. Und genau das wäre im Supercup das Problem: Da würden fast ausschließlich solche Spieler dabei sein. Klar, dann hättest du auch ein paar Ausnahmen wie Olli Stein, der jetzt das erste Mal Kapitän der 15er-Nationalmannschaft war. Aber das wäre eben nicht die Mehrzahl der Spieler. 


Selbst wenn wir mit Heidelberg, Hannover und Berlin zusammenarbeiten, selbst dann, haben wir überhaupt die Spielerqualität, um da bestehen zu können? Ich weiß nicht, wie hoch das Niveau da wirklich ist. Vielleicht können wir mithalten, vielleicht nicht. Aber das ist einfach nicht mein Fokus. Mein Fokus liegt auf der Jugend. Und was wir bei den Herren machen, ist letztlich nur ein zufälliges Abfallprodukt davon. Wir suchen keine Spieler, wir suchen gute Trainer. Wenn du dann einen Trainer hast, der sagt: „Ich würde gerne bei euch spielen“ und du suchst zufällig gerade auf dieser Position jemanden, dann nimmst du ihn vielleicht. Aber wenn einer super Credentials als Trainer hat und zu alt ist, um zu spielen, dann ist es halt so. Wenn einer ein schlechter Trainer ist, dann muss er halt nach einer Saison gehen – egal wie gut er spielt. Wenn einer ein guter Trainer ist, aber nicht mehr spielen kann, weil er zu alt oder dauerhaft verletzt ist, dann bleibt er trotzdem.  


Das ist es eben. Alles kommt aus der Jugend heraus. Und das verstehen viele nicht. Rugby an sich ist nur ein Mittel zum Zweck. Ich will den Kindern eine super Jugend geben. Ich will sie aufs Leben vorbereiten. Und Rugby ist nun mal ein verdammt gutes Mittel dafür. 

 

 

 

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