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Bundesliga Reload: Ein neuer Anlauf für den deutschen Rugby

  • Rugby-News Team
  • 16. März
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. März


Photo Credit: Gerrit Burow
Photo Credit: Gerrit Burow
Die Bundesliga soll eingleisig, professioneller und sichtbarer werden. Niko Colic, Vorsitzende des Bundesliga-Ausschusses, erklärt, wie der deutsche Rugby-Sport den nächsten Schritt machen will.

Wieder einmal soll sie anders werden – unsere Rugby-Bundesliga. Es ist nicht das erste Mal, seit den politischen Umbrüchen Ende der 1980er Jahre wurde sie immer wieder reformiert, neu aufgeteilt, zusammengelegt und wieder getrennt. Nach dem Beitritt der ostdeutschen Landesverbände versuchte man sich an einer eingleisigen Liga mit acht Vereinen – kurz darauf war das Experiment beendet. Mitte der 1990er Jahre kehrte man zur zweigleisigen Struktur zurück. 2001/02 dann wieder eine eingleisige Bundesliga mit zehn Mannschaften, bis 2012/13 die große Reform kam: vier regionale Staffeln zur Kostensenkung und mehr Wettbewerb. Doch auch das hielt nicht lange. Seit 2015/16 spielt man wieder zweigleisig, und nun soll es erneut anders werden.


Doch diesmal, so sagen die Verantwortlichen, soll es der große Wurf werden.


Niko Colic: Der Mann hinter der Reform

Einer der Hauptverantwortlichen für diesen Umbruch ist Niko Colic, der Vorsitzende des Bundesliga-Ausschusses, der sein Konzept bei Rugby News vorstellt. Er ist kein Funktionär im klassischen Sinne, sondern ein Mann aus der Praxis. „Mich hat einiges in der Bundesliga gestört, ich wollte die Hintergründe verstehen und mich einbringen“, sagt er.


Der Berliner begann seine Rugby-Karriere beim BSV, wechselte später zum BRC und dann zum RK 03 Berlin. 2020 stieg er als Trainer ein, 2023 entwickelte er das Reformkonzept „Bundesliga Reload“. Auf Drängen der Vereine übernahm er schließlich den Vorsitz des Bundesliga-Ausschusses. „Ich habe mich zunächst dagegen gesträubt“, sagt er, doch am Ende entschied er: „Wenn die Alternative zu mir wirklich so aussieht, dann mache ich es lieber selbst.“



Dass es eine Zweiklassengesellschaft gibt, zeigen Zahlen aus den vergangenen Jahren. Über 44 Prozent der Spiele endeten mit einer Punktedifferenz von mehr als 30 Zählern. „Das kann nicht unser Anspruch sein“, erklärt Niko. Der Wettbewerb leidet, die Spannung ebenso. Rugby-Deutschland hat 140 Vereine, von denen theoretisch 42 in der Bundesliga spielen könnten. Doch die Realität sieht anders aus. „Wir haben zu viele Startplätze, die wir nicht vollständig besetzen können, und zu wenig echte Konkurrenz. Das muss sich ändern.“


Strukturwandel: Ein radikaler Neuanfang

Die Bundesliga, bislang in eine Nord- und eine Südstaffel unterteilt, soll erneut eingleisig werden. Ziel: Ein höheres Niveau, eine bessere Wettbewerbsfähigkeit, eine attraktivere Liga. Eins der Vorbilder ist Frankreich, wo die Top 14 und ProD2 eigenständig organisiert werden. Auch in Deutschland soll die Bundesliga künftig aus dem Verband ausgegliedert und in einen eigenständigen Verein überführt werden.


Doch dieser Schritt ist nicht einfach. Um die Bundesliga aus dem Deutschen Rugby-Verband auszugliedern, wird unter anderem eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Der ursprünglich für den 30. November in Heidelberg geplante Deutsche Rugby-Tag (DRT), bei dem über die Änderung der Ligastruktur abgestimmt werden soll, wurde auf den 22. März 2025 verschoben. Die Ausgliederung soll im nächsten Schritt erfolgen. Die Mehrheit der Bundesligisten steht hinter dem Vorhaben, doch es gibt auch Zweifel. Fünf Vereine sind bisher nicht dem neuen Bundesliga-Verein beigetreten. Doch Colic bemüht sich weiterhin, alle von seinem Vorschlag zu überzeugen.


Dabei betont er immer wieder, dass es nicht darum gehe, Vereine auszugrenzen, sondern die Liga leistungsfähiger und wirtschaftlich stabiler zu machen. „Wer konkurrenzfähig ist, wird auch dabei sein. Aber wir können nicht mehr Vereine in der Bundesliga halten, nur damit sie da sind. Qualität muss Vorrang haben“, so Colic.


Ein zentrales Thema in der Debatte um die Reform sind die Fahrtkosten. Kritiker befürchten, dass die Umstellung auf eine eingleisige Bundesliga zu erheblichen Mehrkosten für die Vereine führen könnte. Die Berechnungen zeigen, dass die Reisekosten pro Verein zwischen 5.000 Euro im Best-Case-Szenario und 7.000 Euro im Worst-Case-Szenario liegen könnten. Um diese Belastung fair zu verteilen, soll ein gemeinsamer Fonds eingerichtet werden, in den alle Vereine einzahlen. Aus diesem sollen Zuschüsse für besonders weite Reisen bereitgestellt werden. „Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche finanzielle Belastungen. Jeder Verein soll faire Bedingungen vorfinden“, erklärt Colic.


Ein weiterer Aspekt der Reform ist auch die bessere Vermarktung der Bundesliga. Colic setzt darauf, neue Sponsoren zu gewinnen und die Liga für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu führt er Gespräche mit potenziellen Partnern und prüft Übertragungsmöglichkeiten, um Rugby in Deutschland präsenter zu machen. „Wir müssen Rugby sichtbarer machen – für Fans, für Unternehmen, für potenzielle Nachwuchsspieler“, betont er.


Auch unterhalb der Bundesliga sind umfassende Reformen geplant. Anstelle der bisherigen vier Ligen soll es künftig nur noch zwei geben. Die Änderungen konzentrieren sich zunächst aber auf die erste Bundesliga, um dort Entwicklungsanreize zu schaffen. Nach erfolgreicher Umsetzung und Bewertung sollen diese Maßnahmen auch auf die zweite Bundesliga übertragen werden.


Leistung statt Willkür

Wer qualifiziert sich überhaupt für die neue Liga? Die Diskussionen um das Format waren hitzig, aber Niko plädiert klar für eine leistungsgerechte Verteilung. „Wenn wir diesen Schritt gehen, dann machen wir ihn wegen der Leistung. Dann müssen wir auch nach Leistung entscheiden“, sagt er. Die vier Halbfinalisten der aktuellen Saison sind gesetzt. Die restlichen Plätze werden in Playoffs ausgespielt. Wer am Ende oben bleibt, der gehört auch zu den besten zehn des Landes.


Der Playoff-Modus ist dabei klar definiert: Die vier Halbfinalisten sind direkt qualifiziert, während die Verlierer der Viertelfinals sowie die beiden besten Teams der zweiten Bundesliga in einer Relegationsrunde um die verbleibenden Plätze spielen. Dabei treffen die Viertelfinal-Verlierer auf die Erstplatzierten der zweiten Bundesliga sowie auf die Siebtplatzierten der ersten Bundesliga. Der achtplatzierte steigt direkt ab. „Wir wollen sicherstellen, dass die besten Teams in der Liga spielen – und das heißt, es muss sportlich entschieden werden“, erklärt Colic.


Das Verhältnis zu Deutschland Rugby

Eine der zentralen Fragen dieser Reform ist das zukünftige Verhältnis zwischen der Bundesliga und dem Deutschen Rugby-Verband. Bislang ist die Bundesliga ein Organ des Verbandes, was bedeutet, dass alle wichtigen Entscheidungen von der Mitgliederversammlung (DRT) bestätigt werden müssen. Das betrifft nicht nur organisatorische und finanzielle Fragen, sondern auch die Spielplangestaltung und die Förderung der Nationalmannschaft.


Kritiker bemängeln, dass der Verband in der Vergangenheit wenig Fokus auf die Bundesliga gelegt habe und stattdessen primär auf die Nationalmannschaften konzentriert gewesen sei. Die geplante Ausgliederung soll der Bundesliga mehr Eigenständigkeit geben und schnellere Entscheidungen ermöglichen. Rugby Deutschland wiederum soll sich verstärkt auf die Nationalteams und die Nachwuchsarbeit konzentrieren. Die Idee: eine professionelle Liga, die durch ihre stärkere wirtschaftliche Basis letztlich auch dem deutschen Rugby insgesamt zugutekommt.


„Es geht nicht um eine Konfrontation mit dem DRV“, betont Colic. „Wir wollen eine Zusammenarbeit, in der beide Seiten profitieren. Der Verband bekommt eine leistungsfähigere Bundesliga, die wiederum bessere Spieler für die Nationalmannschaft hervorbringt.“


Scorebonus zur Förderung deutscher Spieler

Ein entscheidender Baustein der Reform ist das sogenannte Scoringbonus-System, das gezielt deutsche Nachwuchsspieler fördern soll. Die Idee: Jeder Spieler wird mit einem bestimmten Punktwert versehen. Ein ausländischer Spieler, der nicht in Deutschland ausgebildet wurde, erhält zwei Punkte. Ein Spieler, der für Deutschland spielberechtigt ist, bekommt einen Punkt. Ein in Deutschland ausgebildeter Spieler hat null Punkte. Besonders wertvoll für die Vereine sind jedoch Eigengewächse, also Spieler, die aus der eigenen Jugend stammen – sie bringen sogar einen negativen Punktwert (-1).


Die Mannschaften dürfen pro Spiel nur eine festgelegte Gesamtpunktzahl überschreiten. Dadurch wird sichergestellt, dass nicht einfach eine Mannschaft voller ausländischer Profis aufgestellt wird, sondern dass deutsche Talente gezielt in die Teams integriert werden. „Wir haben die Punktzahl derzeit bewusst hoch angesetzt, damit sich die Vereine anpassen können. Doch bis 2030 soll sie kontinuierlich sinken“, erklärt Niko. Das Ziel ist klar: langfristig soll der deutsche Rugby-Nachwuchs stärker in den Ligabetrieb eingebunden werden.


Eine Reform für die Ewigkeit?

Und so bleibt die Frage: Ist dies der große Umbruch oder bloß die nächste Episode in der nie endenden Geschichte deutscher Rugby-Reformen? Die Vergangenheit zeigt, dass Ideen kommen und gehen – oft schneller als ein ungeduldiger Gedrängehalb am offenen Ruck. „Jetzt haben wir die Chance, etwas Nachhaltiges zu schaffen- es ist nicht das endgültige Produkt, aber der Wechsel zu mehr Leistungsanspruch und damit Basis für Entwicklung“, betont Colic. Klingt gut. Und diesmal könnte es tatsächlich anders sein. Die Strukturen werden professioneller, das Niveau soll steigen, und der Nachwuchs bekommt endlich eine echte Perspektive. Es liegt nun an den Vereinen, die Chance zu nutzen – und vielleicht, nur vielleicht, könnte dies der Moment sein, in dem sich Rugby-Deutschland wirklich neu erfindet.

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